trio heinz herbert
kuratoren 2025
Foto: Caterina Viguera
Mit dem Trio Heinz Herbert übernimmt zum ersten Mal eine Band die Programmkuration des Taktlos Festivals. Da es bei Mario Hänni, Dominic Landolt und Ramon Landolt immer ums Ganze geht, war von Anfang an klar: Die Kuration sollte mehr beinhalten, als sich auf ein Thema oder Konzept zu einigen und anschliessend eine Auswahl von Musikschaffenden einzuladen. Vielmehr steht die Summe der Teile im Vordergrund. Das Festival ist als Gesamterlebnis gedacht, als Happening, das einen eigenen Kosmos erschafft. Damit knüpft das Trio Heinz Herbert unter anderem an seine Erfahrungen bei der 2015 erstmals durchgeführten Performance Week an, wo die Band eine Woche lang einen Ort bespielte, dabei jeden Abend neue Schwerpunkte setzte sowie mit Performances und Videokunst einen interdisziplinären Austausch pflegte. So geht es auch beim Taktlos 2025 darum, einen Rahmen und damit Raum zu schaffen für Experimente, die sonst im Alltag von Musikschaffenden zwischen Konzerttourneen, Studiozeit und Proben kaum Platz finden. Dem Austausch mit dem Publikum kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Hierarchien und festgefahrene Strukturen werden aufgebrochen: Wann beginnt ein Konzert? Mit dem ersten gespielten Ton? Beim Betreten des Saals? Oder schon beim gemeinsamen Abendessen einige Stunden davor? Gewiss gibt es auch beim Taktlos 2025 eine Bühne, es gibt Konzerte, die zu einem bestimmten Zeitpunkt anfangen und mit Applaus beendet werden. Aber das, was davor, dazwischen und danach passiert, soll ebenso gefeiert werden.
Der Gesamtheit aller Konzerte kommt eine zentrale Bedeutung zu. Mit Visuals und architektonischen Interventionen wird ein szenografischer Bogen über das ganze Festival gespannt. In der Mitte des Geschehens gibt es eine Bar. Die Magie der einzelnen Konzerte soll in den Pausen und Übergängen zwischen den Acts weiterklingen, wobei der Freitag- und der Samstagabend mit DJ-Sets vollendet werden. Tanzen ist ausdrücklich erwünscht!
In einem «Sonic Room» ist eine Klanginstallation aufgebaut, zu der alle beteiligten Musiker*innen ein Klangfragment beigesteuert haben. Zudem wird der Raum an einem Tag von einer Multichannel-Soundinstallation der US-amerikanischen Klangkünstlerin Olivia Block bespielt.
Was das Publikum beim Taktlos 2025 erwartet, lässt sich vielleicht am besten mit einem von Sternbildern übersäten klaren Nachthimmel vergleichen: Verschiedenste Lichtgestalten der experimentellen Musik bringen ihre spielerische Energie auf die Bühne, die sich im Verlauf des Festivals mit den anderen Eindrücken zu einem Gesamtbild dessen verdichtet, was in der aktuellen Musik alles möglich ist.
Andrin Uetz
Foto: Lorenzo Pusterla
«Das Programm ist das Produkt unserer Wünsche»
Interview mit dem Trio Heinz Herbert, geführt von Benedikt Sartorius
Ihr seid die erste Band, die das Taktlos-Programm kuratiert. Wie seid ihr als Kollektiv diesen Prozess angegangen?
Dominic Landolt: Das Trio Heinz Herbert gibt es nun bald schon 15 Jahre. Und wir fragten uns erst einmal: Was haben wir als Band für Festivals erlebt? Welche fanden wir besonders toll? Und wieso?
Was für Festivals sind das?
Dominic: Das sind Festivals wie das Meakusma Festival in Belgien, die Gaswerk Music Days in Berlin oder das Music Unlimited in Wels bei Wien. Was für mich die Festivals verbindet, ist, dass das Publikum und die Artists zusammen in einem gemeinsamen Kosmos miteinbezogen werden. Stilistisch sind die Festivals vielfältig, alle kommen mit offenen Ohren und Erwartungen sowie mit der Lust, Neues zu entdecken. In Wels zum Beispiel fanden die Konzerte zwar konventionell in einem Saal statt, aber draussen hatte es eine Bar und das Publikum und die Artists sprachen und tranken bis um fünf Uhr morgens zusammen. Es entstand ein gemeinsamer Space – wir haben immer noch Friends aus dieser Nacht.
Mario Hänni: Wichtig waren auch unsere eigenen Performance Weeks. Bereits dort versuchten wir, an mehreren Tagen an einem Ort die starre Konzertform aufzubrechen. Wir fragten uns: Wie können wir die Besucher:innen in ein Konzert und eine Performance miteinbeziehen? Das ist etwas, das uns als Band schon sehr lange begleitet – und wir wollten diesen Aspekt miteinfliessen lassen.
Ramon Landolt: Als Band erschaffen wir – wenn wir Musik spielen – immer etwas, das eine Einzelperson nicht erahnen kann. Es entsteht immer etwas ganz anderes – man macht, sagen wir mal, A, B, C – und am Schluss ist es dann Y. Das war ein Wunsch von mir, dies auch bei der Programmgestaltung zu schaffen.
Wie habt ihr das Programm schliesslich konkretisiert? Habt ihr eine Liste mit Wunsch-Artists gehabt?
Ramon: Wir haben einfach gewürfelt, haha …
Mario: Wir hatten natürlich eine Liste, die war episch. Auf dieser haben wir einfach Musik gesammelt, die uns flasht. Wir schickten uns Links, tauschten uns aus – als Band war das eine neue Erfahrung und eine grosse Challenge. Wo beginnt man und wen fragen wir konkret an? Wie verhalten sich die verschiedenen Ideen zueinander? Es war ein langer, intensiver Prozess, der auch sehr aufregend war. Auf diese Art sind auch sehr viele Bandproben draufgegangen …
Dominic: Am einfachsten wäre es gewesen, wenn jede Person je einen Abend kuratiert hätte. Aber wir funktionieren als Kollektiv, wir machen alles zusammen. Nur schon alle unsere Interessen einzubringen und dann auszuwählen dauerte lange – und als wir verschiedene Optionen zusammengestellt hatten, merkten wir, dass gewisse Sachen nicht miteinander funktionieren. Wir fragten uns immer auch: Was sind das für Besetzungen? Ist es divers? All das zusammenzubringen, damit alle Parameter stimmen, war sehr spannend. Als Kollektiv war es aber nicht nur einfach, wir sind uns auch ein paar Mal «a charä gfahre». Wir kennen das beim Musikmachen, aber so war es nochmals etwas anderes.
Ramon: Wir haben so als Band mega viel gelernt, beispielsweise wie das funktioniert, wenn man ein Festival veranstaltet.
Mario: Oder auch, warum sich Festivalveranstalter:innen nicht immer zurückmelden, wenn man sie fragt, ob man spielen kann …
Ramon: Das Programm ist nun das Produkt unserer Wünsche. Es umfasst das, was wir toll finden und was wir auch als Band wichtig finden, wie Musik funktionieren kann: dass sie reinzieht, dass sie fasziniert, ohne dass sie an eine stilistische Grenze gebunden ist.
Die Kurator:innen spielen ja immer auch selbst am Taktlos. Plant ihr für diese Performance etwas Spezielles?
Ramon: Wir probieren, das Taktlos als Moment zu nehmen, an dem wir neue Musik von uns präsentieren können. Vielleicht entsteht auch ein Programm, das wir nicht an jedem anderen Ort spielen können. Für das Festival vertiefen wir das Zusammenspiel von Musik und Visuals, das wir 2024 in Zusammenarbeit mit Samuel Weniger entwickelt haben.
Dominic: Zunächst stand auch noch die Frage im Raum, ob wir mit einem eingeladenen Artist etwas gemeinsam kreieren möchten. Ich finde es aber nun sehr schön, dass wir unsere Art zu arbeiten weiterführen können – und das Resultat am Festival präsentieren dürfen. Das wird schon genug herausfordernd – wir sind am Samstagabend sicherlich schon voll mit Eindrücken vom Festival.
Mario: Für mich ist es einfach cool, wenn es uns an diesen Tagen gelingt, einen diversen Space zu kreieren, in dem man sich wohlfühlt, Sachen entdecken und eine Gemeinschaft haben kann. Es soll ein Space sein, in dem das Konsumieren mehr bedeutet, als einfach zu bezahlen und dafür etwas zu erhalten – und danach gehst du wieder nach Hause. Vielleicht vergessen die Besucher:innen ja sogar ein bisschen die Realität.
Frühere Kurator*innen
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Vera Kappeller
Kuratorin 2024
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Silvan Schmid
Kurator 2023
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Martina Berther
Kuratorin 2022
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Sylvie Courvoisier
Kuratorin 2020
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Manuel Troller
Kurator 2019
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Lucas Niggli
Kurator 2018